Vom Umgang mit Drittmitteln

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ein Aufsatz von Horst Haider Munske, erschienen in: Edith Funk/Stefan Kleiner/Manfred Renn/Bernadette Wecker: Sprachgeschichten. Ein Lesebuch für Werner König zum 60. Geburtstag, Heidelberg, 2003.

Der besondere Zuschnitt dieser Festschrift erlaubt es mir, etwas zu behandeln, von dem Werner König besonders viel versteht: vom Umgang mit Drittmitteln. Sein Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben ist in Antragstellung, Durchführung und Begleitfinanzierung bis zum Druck ein Musterbeispiel dafür, wie man Außerordentliches zuwege bringen kann. Er war Vorbild und Orientierung für das Gesamtprojekt Bayerischer Sprachatlas, das nun vor dem Abschluß steht.

Drittmittel - das sind in den Geisteswissenschaften in der Regel Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Damit habe ich einige Erfahrungen gesammelt: zuerst war ich Mittelempfänger als studentische Hilfskraft und als Mitarbeiter am Deutschen Sprachatlas, später als Habilitandenstipendiat; in Erlangen wurde ich regelmäßiger Antragsteller, war gewählter Fachgutachter in zwei Amtsperioden und schließlich Vertrauensdozent meiner Universität bei der DFG. In dieser letzten Funktion war ich vor allem Ratgeber, wobei ich versucht habe alles, was ich als Gutachter und Antragsteller gelernt hatte, weiterzugeben. In der Regel geht es dabei um sogenannte Sachbeihilfen, die ja im Kern Personalbeihilfen sind, aus denen Doktoranden und studentische Hilfskräfte finanziert werden. Die Sachbeihilfe ist das Kernstück der DFG-Förderung. Wer damit umzugehen gelernt hat - von der Antragstellung über die Berichte, die finanzielle Abwicklung bis zur Schlußabrechnung - der ist auch gewappnet für Graduiertenkollegs, Sonderforschungsbereiche, Forschergruppen und anderes, denn in ihnen allen steckt die Sachbeihilfe als Kernbaustein. Bevor ich darauf zu sprechen komme, möchte ich zwei wichtige Aspekte ansprechen: die Zurückhaltung der Geisteswissenschaftler gegenüber Drittmittelprojekten (1) und das Problem der Gewichtung von Drittmitteln bei der universitätsinternen Finanzverteilung (2).

1. Paßt Drittmittelforschung in die Geisteswissenschaften?

Warum, so fragen Natur- und Technikwissenschaftler, stellen die Geisteswissenschaftler so wenige Drittmittelanträge? Was dort selbstverständlich ist, war bis vor kurzem bei uns die Ausnahme. Als ich meinen ersten DFG-Antrag stellte, war ich in einem Institut mit zehn Professoren der einzige Antragsteller. Inzwischen hat sich die Zahl auf vier erhöht. Das ist bereits überdurchschnittlich. Denn im allgemeinen haben sich bisher nur 20 bis 30 % der geisteswissenschaftlichen Professoren um Drittmittel bemüht, von diesen allerdings einige sehr intensiv. Die wenigen führen häufig zwei bis drei Projekte parallel durch und haben auf diese Weise außerordentliche Professionalität erreicht. Ihre Anträge sind so gut, daß sie kaum jemals abgelehnt werden, während andere beim ersten Versuch scheitern. Es gibt verschiedene Erklärungen für die Abstinenz gerade von Sprach- und Literaturwissenschaftlern bei DFG- Anträgen. Ich gehe auf zwei von ihnen ein.

1.1 Es fehlt in unseren Fächern weithin an der Tradition der Drittmittelforschung und so auch an Erfahrungen, die Lehrer an ihre Schüler weitergeben könnten. Wer dagegen das Glück hatte, einen erfolgreichen Projektleiter und Antragsteller als Lehrer zu haben, lernt sehr früh, mit diesem Instrument umzugehen. Er lernt, wie man Anträge vorbereitet, wie man sie formuliert, wie man Mitarbeiter gewinnt und anleitet und mit ihnen Projekte erfolgreich durchführt. Ich hatte das Glück, an einem solchen Institut aufzuwachsen, das in den 60er Jahren fast einen Millionenetat an Drittmitteln eingeworben hat: dem Deutschen Sprachatlas in Marburg unter der Leitung von L.E. Schmitt. Das waren damals Ausnahmen. Allerdings hatte schon Schmitts Amtsvorgänger, Walther Mitzka, als Emeritus ein großes DFG-Projekt begonnen: das Schlesische Wörterbuch, an dem ich seit 1958 als studentische Hilfskraft gearbeitet habe. Wenn uns jemand fragte, was die Auflösung der Kürzel DFG bedeute, blieben wir nicht stumm wie viele heutige Studierende, von denen mancher nur die Auflösung 'Deutsche Telefongesellschaft' kennt. So war es für viele Absolventen der Marburger Schule selbstverständlich, an ihren neuen Wirkungsstätten von Kiel bis Freiburg eigene DFG- Projekte zu beginnen. Ich begann in Erlangen mit einem Projekt zur Wortbildung des Nürn berger Frühneuhochdeutsch um 1500, das in diesem Jahr mit dem dritten Band einer Dokumentation abgeschlossen wurde.
Während ich dies schreibe, entstehen doch Zweifel an der These einer mangelhaften Tradition der Drittmitteleinwerbung in der Germanistischen Linguistik. Denn neben dem Marburger Sprachatlas sind für die 60er und 70er Jahre weitere Großprojekte zu nennen wie die um fassende Dokumentation zur 'Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache' von Johannes Erben/Innsbruck, später Bonn, das Erft-Projekt von Werner Besch/Bonn, die Weiterführung der Frühneuhochdeutschen Grammatik von Hugo Stopp durch Werner Besch und Johannes Erben, das Freiburger Projekt zur gesprochenen Gegenwartssprache von Hugo Steger, der vorbildliche hessische Flurnamenatlas von Hans Ramge in Gießen. In den 80er und 90er Jah ren kamen der Südwestdeutsche Sprachatlas von Hugo Steger/Freiburg und der Mittelrheinische Sprachatlas von Günther Bellmann/Mainz hinzu, dann der Bayerische Sprachatlas mit seinen sechs Regionalteilen in Augsburg, Passau, Bayreuth, Würzburg und Erlangen, dann die Begründung oder Erneuerung großer Wörterbücher: der neue 'Paul' von Helmut Henne in Braunschweig, der neue 'Kluge' von Elmar Seebold in München, das Wortfamilienwörter buch von Gerhard Augst in Gießen und das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch von Oskar Reichmann in Heidelberg. Wesentliche Beiträge zur historischen Sprachwissenschaft (alt hochdeutsche Glossen, Grammatikschreibung, Orthographiegeschichte) wurden in Projekten von Rolf Bergmann/Bamberg geleistet. Erhebliche Mittel für die Jiddistik gingen an Walter Röll und Erica Timm in Trier und zur Skandinavistik von Kurt Braunmüller in Hamburg. Und damit sind viele andere erfolgreiche Projekte noch gar nicht erwähnt. Kurz, es gibt in der Germanistischen Linguistik, ausgehend von den sprachhistorischen und dialektologischen Wurzeln, inzwischen einen breiten Erfahrungsfundus der Drittmittelforschung, an den Jüngere anknüpfen können.
Dennoch habe ich in vielen Gesprächen die Erfahrung gemacht, daß die psychologische Hürde, erstmals einen DFG-Antrag zu stellen, relativ hoch ist. Darum verzagen auch viele von denen für immer, deren erster Anlauf mißlungen ist. Erstantragstellern wird allerdings ein gewisser Bonus gegeben. Früher zumindest, als es noch mehr Mittel gab, wurde mancher Antrag von den Gutachtern auf einen realistischen Kern zurechtgeschnitten. So ist es auch mir gegangen. Und dafür bin ich nachträglich dankbar. Heute kann man kaum mehr mit solcher Vorzugsbehandlung rechnen. Deshalb kann ich nur raten, vor der Antragstellung Rat einzuholen. Dies kann in einem Gespräch geschehen, besser ist es jedoch, den vorläufigen Antrag gründlich und kritisch durchsehen zu lassen. Ich habe dies viele Male gemacht und unverblümt schriftlich Stellung genommen. Die wichtigsten allgemeinen Aspekte dazu werden unten angeführt. Man muß sich nicht genieren, solchen Rat einzuholen. Man darf sich auch nicht scheuen, eindeutige Hinweise zu geben.

1.2 Sehr häufig ist mir im Gespräch mit Sprach- und Literaturwissenschaftlern die Behauptung begegnet: Bei uns kann man keine Drittmittelprojekte durchführen. Forschung sei Einzelforschung, einsam am Schreibtisch, oft nächtens. Das Ringen mit dem Thema sei nicht planbar. Man könne weder Umfang noch Dauer im voraus bestimmen. Deshalb keine Drittmittelprojekte. Ich sage das etwas ironisch, da ich es für falsch halte. Jede Dissertation, jede Habilitation, jede Monographie ist ein Projekt. Daß viele von ihnen so lange dauern, liegt weniger in ihrer Natur als in mangelnder Planung, und zwar sowohl seitens des Bearbeiters wie des Betreuers. Die Abwehr von Drittmittelprojekten ist hier im Grunde die verborgene Scheu vor Planung. Was die DFG in ihren Merkblättern fordert, halte ich deshalb für einen heilsamen Zwang: daß man ein Projekt durch Vorarbeiten vorbereitet, Ziele und Methoden formuliert und ein Arbeitsprogramm aufstellt, das den Einsatz von Personal für eine befristete Zeit bestimmt. Denn sobald das Geld alle ist und der Bearbeiter kein Einkommen mehr hat, gerät das Projekt ins Trudeln und wird nicht selten abgebrochen. Natürlich ist nicht in Abrede zu stellen, daß es Themen gibt, die sich besser und andere, die sich weniger für einen Drittmittelantrag eignen. Alle materialintensiven Themen mit empirischem Bezug wie Sprachatlanten, Wörterbücher, Editionen und alle auf Korpora basierenden Arbei ten sind besser planbar als jene, wo das theoretische Konzept noch im Werden ist. Dennoch mache ich mich anheischig, für jedes einigermaßen gut vorbereitete Projekt einen Planungsrahmen aufzustellen. Allerdings muß man sich darüber im klaren sein, daß Projekte eine Ge meinschaftsarbeit darstellen, in denen wissenschaftliche Mitarbeiter den wesentlichen Arbeitsanteil übernehmen. Man muß ihnen dies zutrauen. Wer glaubt, nur er alleine sei fähig, ein bestimmtes Vorhaben auszuführen, der allerdings sollte es auch alleine machen - auf die Gefahr hin, daß dies erst nach der Pensionierung erfolgt. Ich bin Antragstellern begegnet, die von ihren Mitarbeitern ausschließlich 'Zuarbeit' für ihre eigenen Bücher erwarteten. Ich halte dies für keinen sinnvollen Arbeitsstil. M.E. muß jeder wissenschaftliche Mitarbeiter in einem Projekt auch ein eigenes Qualifikationsziel erreichen: entweder mit einem Teil des Projekts als Dissertation oder Habilitation oder mit einem verwandten Thema.
In diesem Zusammenhang mag auch eines erwähnt werden, Mitarbeiter in größeren Projekten sind auch von manchen typischen Sorgen eines Doktoranden befreit: dem Frust des Steckenbleibens, der einsamen Ratlosigkeit, dem Mangel an Gesprächspartnern. In Projekten bildet sich sehr bald ein Gemeinschaftsgefühl heraus, das jedem einzelnen zugute kommt. Regelmäßige Arbeitstreffen und gegenseitige Beratung schaffen eine Atmosphäre sozialer Produktivität. Das habe ich schon beim Marburger Sprachatlas erlebt und das hat sich in allen Erlanger Projekten fortgesetzt. Immer wieder berichten die einzelnen Mitarbeiter, wie wohl sie sich in der Gemeinschaft eines Projektes fühlen. Von außen gesehen herrscht dort manch mal fröhliche Wissenschaft in zahlreichen Kaffeepausen, Geburtstags- und sonstigen Feiern. Andererseits wird hier, je nach persönlichem Gusto von früh bis in die Nacht gearbeitet.

2. Drittmittel als Leistungsparameter

Man braucht heute nicht mehr erläutern, welche Bedeutung eingeworbene Drittmittel für die universitätsinterne Verteilung von Sach- und Personalmitteln haben, vielleicht künftig auch für das persönliche Gehalt. Strittig ist gerade unter Geisteswissenschaftlern, daß Drittmittel den wichtigsten (oft gar einzigen) Parameter für Forschungsleistungen darstellen. Ist dies nicht eine eklatante Benachteiligung unserer Fächer? Sind Monographien, Tagungsbände, Aufsätze nicht der eigentliche Kern unserer wissenschaftlichen Arbeit? Die Diskussion dar über mündet zumeist in der Feststellung, wissenschaftliche Leistungen ließen sich bei uns nur schwierig messen, der Umfang eingeworbener Drittmittel allein jedoch sei auf jeden Fall ein falscher Maßstab. Dennoch wird in den Universitätsverwaltungen in der Regel so verfahren, oft sogar mit der Einschränkung, nur jene Drittmittel zu beachten, die über die Universitätsverwaltung abgerechnet wurden. Hier scheint nun die Einfachheit des Verfahrens vor Gerechtigkeit zu gehen. Dies vermittelt vielen das Gefühl der Zurücksetzung durch technokratische Willkür. Auch diese Reaktion halte ich für falsch. Sie ist jedoch begreiflich angesichts der Argumentation, mit der Drittmitteleinwerbungen als Parameter universitärer Mittelverteilung begründet werden. Oft ist hier die Rede von einer Belohnung für die Einwerbung. Eben das ist falsch. Die zusätzlichen Mittel, die man für Drittmittelprojekte von den der eigenen Uni versität erhält, sind gar keine Belohnung, sondern die eigentliche Voraussetzung, um die DFG-Projekte durchzuführen. Denn heutzutage gibt es keine Vollförderung mehr. Nicht nur wird die sogenannte Grundausstattung, für die die DFG grundsätzlich nichts gibt, relativ hoch angesetzt. In der Regel werden darüber hinaus wesentliche Teile der beantragten Hilfskraft-, Reise- und Sachmittel gekürzt. Wenn man nicht von vornherein viel zu viel beantragt hat (und wer kann das ohne unglaubwürdig zu werden), braucht Hilfe von anderer Seite. Gerade wegen der Funktionalisierung der Drittmittel als Geldverteilungsparameter ist das Antragsvolumen bei der DFG sprunghaft gestiegen. Auch die Qualität der Anträge ist oft so gut, daß gerade in unseren Fächern die Zahl rundum positiv begutachteter Projekte die vorhandenen Mittel weit übersteigt. Dies hat die DFG seit einiger Zeit dazu gezwungen, Reihungskommissionen einzusetzen, die diese Projekte gegeneinander abwägen. Oft entscheiden sie sich dabei für erhebliche Streichungen bei den meisten Projekten, um möglichst viele in den Genuß der Förderung gelangen zu lassen. Unter diesen Gegebenheiten, die offenbar bei den Theoretikern der Mittelverteilung noch nicht bekannt geworden sind, sind zusätzliche Mittel für Drittmitteleinwerbungen keinerlei Belohnung sondern überhaupt erst die Voraussetzung für die Durchführung der Projekte. Darum muß man auch darauf bestehen, solche zusätzlichen Mittel von der eigenen Universität zu bekommen. Entweder in einem geregelten Verfahren oder durch gesonderte Anträge. Zu den Arbeitsvoraussetzungen für Drittmittelprojekte gehört im übrigen auch die Bereitstellung zusätzlicher Arbeitsräume. Ich habe es immer abgelehnt, ein Projekt überhaupt erst zu beginnen, so lange diese Frage nicht geklärt war. Gegenüber der eigenen Universität sollte man hier auch darauf hinweisen, daß Drittmittel wissenschaft liche Arbeitsplätze schaffen. Sie sind auch ein Instrument der Studentenförderung. Unter die sem Aspekt sind die sechs regionalen Projekte des Bayerischen Sprachatlas auch ein sehr erfolgreiches Arbeitsbeschaffungsprogramm.

3. Zehn Ratschläge

3.1 Informieren

Über die Deutsche Forschungsgemeinschaft kann man leicht Informationen erhalten: im Internet ist der letzte Jahresbericht zugänglich, ebenso sämtliche Merkblätter, die über die einzelnen Förderungsmöglichkeiten informieren. Im Jahresbericht werden auch alle Amtsinhaber genannt vom Präsidenten über die Senatsmitglieder bis zu den gewählten Gutachtern der einzelnen Fächern. Doch hilft es einem nicht viel, zu wissen, wer jetzt Gutachter ist, da man nicht erfährt, an wen der eigene Antrag gerät. In jüngster Zeit wird auch sehr häufig von Sondergutachtern Gebrauch gemacht. Jeder Gutachter kann 'Sondergutachter' sein. Das künftige Begutachtungsverfahren sieht vor, daß jeder Wissenschaftler um ein DFG-Gutachten gebeten werden können. Z.Zt. gehen die Akten in der Regel an zwei Gutachter und danach an den Ausschußvorsitzenden, der eine abschließende Empfehlung abgibt. Der zuständige Referent bereitet dann einen Entscheidungsvorschlag vor, in dem aus den Gutachten (anonymisiert) zitiert wird. Die Bearbeitung eines Antrags vom Eingang bis zur Mitteilung der Entscheidung dauert in der Regel fünf bis sechs Monate. Sie setzt sich zusammen aus der Bearbeitungszeit des Referenten am Anfang, dann der drei Gutachter (hintereinander), dann einer erneuten Bearbeitung durch den Referenten und schließlich der Vorlage im Hauptausschuß und dem Bewilligungs- oder Ablehungsschreiben an den Antragsteller. Man sollte deshalb den geplanten Arbeitsbeginn nicht früher als fünf Monate nach Absendung des Antrags ansetzen. Nachfragen im zuständigen Sekretariat lohnen frühestens nach drei bis vier Monaten. Gelegentlich gibt es auch von der Geschäftsstelle der DFG Rückfragen, die sich bereits bei der Lektüre durch den Referenten ergeben haben. Es empfiehlt sich darauf möglichst schnell zu antworten. Denn das Verfahren verlängert sich entsprechend.
Eine sehr informative Studie über die Organisation, die Arbeitsweise und die internationale Einschätzung der DFG hat Friedhelm Neidhardt (Selbststeuerung in der Forschungsförderung. Das Gutachterwesen der DFG. Obladen 1988) verfaßt. Sie ist noch heute aktuell, auch wenn sich hinsichtlich der Förderungsmöglichkeiten vieles geändert hat. Das Besondere an der DFG ist die Selbstorganisation durch die wissenschaftliche Gemeinschaft: in der Wahl des Präsidiums, der Ausschüsse, Kommissionen und Gutachter. Darin hat sie auf der Welt nicht ihresgleichen.

3.2 Merkblätter beachten

Die Standardförderung der DFG ist die sogenannte Sachbeihilfe. Sie besteht (entgegen die sem Namen) vor allem aus Personalmitteln (Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter, wis senschaftliche Hilfskräfte oder studentische Hilfskräfte), Sachmitteln im engeren Sinne (pro jektspezifische Geräte und Kosten, die über die Grundausstattung hinausgehen) sowie Mitteln für Reisen, die für das Projekt selbst erforderlich sind. Dazu gehören keine Kongreßreisen oder Vortragsreisen. Für die Sachbeihilfe wie für alle anderen Förderungsarten, die hierauf aufbauen, gibt es ausführliche Merkblätter, die man unbedingt beachten sollte. Die Hauptetappen der Projektdarstellung sind Forschungsbericht, eigene Vorarbeiten, Ziele und Arbeitsprogramm. Es gehört zu den typischen Anfängerfehlern, zwischen diesen Punkten nicht hin reichend zu unterscheiden. Mancher glaubt, seine Ziele mehrfach darstellen zu müssen. Doch jeder Wissenschaftler weiß, daß Ziele zu formulieren nicht so schwer ist. Die Arbeit steckt in den anderen Punkten. Die DFG bittet im übrigen, den Umfang auf zwanzig Seiten zu begrenzen. Das setzt einer gewissen Geschwätzigkeit, zu der viele Geisteswissenschaftler neigen, deutliche Grenzen.

3.3 Arbeitsprogramm

Das Arbeitsprogramm ist der Angelpunkt jedes Antrags. Hier erweisen sich Planungsfähigkeit des Antragstellers, Qualität und Umfang der Vorarbeiten, Klarheit der Zielsetzung. Wie man diese mit welchen Personal- und Sachmitteln in welcher Zeit verwirklicht, muß überzeugend dargelegt werden. Häufig läßt sich aus den Vorarbeiten abschätzen, welche Zeiträume für welche Arbeitsschritte erforderlich sind. Dies sollte man auch ausführen.
Das feste Schema, in das die Merkblätter die Anträge bringen, erleichtert die Bearbeitung in der Geschäftsstelle und die Begutachtung durch die Gutachter. Dabei sollte man sich vor Augen halten, daß ein Gutachter kaum länger als einen Tag für Lektüre, Urteilsbildung und Formulierung des Gutachtens veranschlagen kann. Er soll die Empfehlung auf einer Seite formulieren: zum Projekt als Ganzes, zur Qualifikation des Antragstellers, zur Realisierbarkeit in der beantragten Zeit und zu den benötigten Personal- und Sachmitteln. Dies alles soll in eine konkrete Stellungnahme einmünden. Ich habe dafür als frischgewählter Gutachter sehr viel länger gebraucht, habe jeden Antrag hin und her gewogen, Pro und Kontra formuliert und mich nicht immer eindeutig entscheiden können. Etwa nach einem halben Jahr ging das viel besser. Die Urteile wurden eindeutiger, die Lesezeit kürzer. Ich denke, so geht es vielen, die jede Woche ein DFG-Gutachten zu schreiben haben. Darauf müssen sich die Antragsteller einstellen. Ihre Anträge sollen gut lesbar sein und ein Urteil möglich machen, ohne daß der Gutachter weitere Texte liest, z.B. durch Hinweise auf Werke des Antragstellers. Was alles zur Begründung des Antrags erforderlich ist, muß im Antrag selbst gesagt werden. Wenn man Anlagen hinzufügt, sollte dies mehr illustrativen Charakter haben. Etwas worin man blättert aber nicht was man studieren muß. Ich persönlich habe gute Erfahrungen gemacht, die Methode der Bearbeitung an Beispielen im Arbeitsprogramm vorzustellen.

3.4 Zusammenfassung

Ganz am Beginn des Antrags wird eine knappe 15-zeilige Zusammenfassung in allgemein verständliche Form erbeten. Sie geht als Basisinformation in den Entscheidungsvorschlag des Referenten ein und sollte tatsächlich alle wichtigen Informationen enthalten und zwar so, daß sie auch für Nichtgeisteswissenschaftler verständlich sind.

3.5 Zusammenarbeit

Ein wichtiger Punkt ist die Frage nach Zusammenarbeit am Ende des Antrags. Zusammenarbeit mit verwandten Projekten oder wissenschaftlichen Institutionen ist erwünscht, vor allem auch dann, wenn die Betreffenden zur Finanzierung beitragen. So wird der Bayerische Sprachatlas je hälftig vom Freistaat Bayern und von der DFG finanziert. Finanzierungszusagen z.B. von wissenschaftlichen Akademien (etwa über eine Anschlußförderung) sind ein erhebliches Plus für jeden Antrag. Beachten sollte man vor allem auch verwandte Projekte. Mir ist ein Antrag (vorläufig) abgelehnt worden, weil ich vergessen hatte auf die bestehende Kooperation mit einem Nachbarprojekt einzugehen. Hier empfehlen sich auch Absprachen, gemeinsame Arbeitstreffen, Symposien. Zuweilen gibt es auch konkurrierende Anträge zu demselben Thema. In solchen Fällen versucht die DFG eine gewisse komplementäre Arbeitsteilung zu erreichen. Ein typisches Beispiel dafür ist gleichzeitige Förderung der Neubearbeitung des Etymologischen Wörterbuches von Kluge und des Deutschen Wörterbuchs von Paul. Der Kluge hatte sich auf die etymologischen Bezüge zu konzentrieren, der Paul auf die Wort- und Bedeutungsgeschichte anhand literarischer Belege. Kommt es nicht zu einer Absprache, so besteht die Gefahr, daß keines der konkurrierenden Projekte bewilligt wird.

3.6 Projektdauer und Antragszeitraum

Die Projektdauer ist die Zeit, in der das Gesamtprojekt abgeschlossen werden soll. Sachbeihilfen laufen in der Regel bis maximal fünf Jahre. Was darüber hinausgeht, gilt schon als Langzeitprojekt und wird wesentlich strenger beurteilt. Der Antragszeitraum beträgt maximal drei Jahre. Darauf ist das konkrete Arbeitsprogramm zuzuschneiden. Was in der restlichen Zeit geleistet werden soll, kann in allgemeinerer Form dargestellt werden. Nicht selten kommt es während der Arbeit zu methodischen Änderungen, Kürzungen oder Erweiterungen der Materialbasis u.ä. Das ist ganz natürlich, das sollte man bei einem Verlängerungsantrag auch darstellen. In der Regel haben Verlängerungsanträge gute Erfolgschancen, da die DFG dies bereits eingeplant hat. Wenig Freude lösen dagegen Verlängerungsanträge aus, in denen das ursprünglich geplante Antragsvolumen erhöht wird. Solche Mehrforderungen haben sel ten Aussicht auf Erfolg. Dies läßt häufig auch auf Planungsfehler schließen. Auch Versuche, nach Ablauf der vorgesehenen Projektdauer noch einen Nachschlag zu erhalten, sind prekär. Sie müssen auf jeden Fall ausführlich begründet werden. Die DFG ist hier ein bißchen in der Bredouille. Einerseits möchte sie, daß begonnene und schon geförderte Projekte auch zu Ende geführt werden. Andererseits muß sie sich im Interesse der vielen Neuanträge entschie den dagegen wehren, daß die Projektdauer durch Nachanträge überschritten wird.
Sehr häufig kommt es zu Kürzungen in der Bewilligung. Wenn man keine Möglichkeit hat, Zusatzmittel aus anderen Quellen zu schöpfen, zwingt dies zu einer Einschränkung des Projekts. Das muß nicht immer ein Nachteil sein. Erfahrene Gutachter sehen oft besser, was in einem Projekt durchführbar ist und was weniger.

3.7 Mitarbeiter

Qualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind die beste Gewähr für den Erfolg jedes Projekts. Zulassungs- oder Magisterarbeiten im Umkreis des Projektthemas sind deshalb gute Voraussetzungen. In solchen Fällen lassen sich Projekt und Dissertation deckungsgleich verbinden. Das schafft zusätzliche Motivation. Es wird Vollzeit gearbeitet auf einer halben Stelle. Doch nicht immer läßt sich ein Projekt in Dissertationen teilen. Dies gilt z.B. für die sechsjährige Explorationsphase der Sprachatlanten. Dann bleibt dennoch die Maxime: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter müssen während der Projektarbeit auch eine eigene Qualifikation erwerben.
Zumeist ist es sinnvoll, die Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen bereits zu nennen, die in dem Projekt beschäftigt werden sollen. Früher hat man bei solcher Gelegenheit auch gerne hervorgehoben, wenn ein besonders qualifizierter nicht mehr ganz junger Kollege, der keine Stelle hat, an dem Projekt mitwirkt. In jüngster Zeit mehren sich jedoch Anzeichen dafür, daß die DFG solche Mitarbeiter weniger schätzt. Es heißt dann aus der Geschäftsstelle gelegentlich: Haben Sie nicht jemand Jüngeres? Hier scheint eine Wende eingetreten zu sein, die ich sehr bedauere. Früher verstand sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft auch als Notgemeinschaft, die qualifizierten Wissenschaftlern ohne Stelle befristet weiterhalf. Ich bin deshalb davon abgegangen zu empfehlen, solche Mitarbeiter bereits im Antrag zu nennen. Wen man am Ende einstellt, kann die DFG ohnehin nicht beeinflussen. Nicht alle Mitarbeiter eines Projekts müssen durch Drittmittel finanziert sein. Gerade Großprojekte sind darauf angewiesen, auch andere Quellen zu nutzen. Dazu gehören vor allem Doktoranden- und Habilitandenstipendien. Auch Zulassungs- und Magisterarbeiten eignen sich dazu, das Projekt weiterzuführen. Häufig kann man die betreffenden Studierenden als Hilfskräfte beschäftigen. So werden Drittmittel zu einem Kern, um das sich andere Förderungsmöglichkeiten gruppieren können.

3.8 Gutachter

Über die Tätigkeit von Gutachtern gibt es mancherlei Gerüchte. Fest steht, sie wurden aus einer Vorschlagsliste (bei uns zumeist vom Vorstand des Germanistenverbandes zusammengestellt) gewählt. Ihnen wird von der DFG nahegelegt, nicht über ihre Gutachten zu sprechen, vor allem selbstverständlich nicht mit den Betroffenen. Man tut gut, dies zu beachten. Und nach meiner Erfahrung halten sich die allermeisten an diese Bitte. Deshalb gibt es nach meinem Eindruck auch kaum - wie mancher erfolglose Antragsteller vermutet - Gutachterbündnisse zugunsten bestimmter Schulen. Natürlich kommen einseitige Beurteilungen vor. Ich bin solchen Urteilen bei 'Begehungen' begegnet und habe immer gefunden, daß solche Kollegen entschiedenen Widerspruch erfahren. Jeder Gutachter ist sich auch bewußt, daß er selbst demnächst, wenn er wieder einen Antrag stellt, der Begutachtete ist. Diese beiden Rollen Antragsteller und Gutachter weiß die DFG in ihrer Geschäftsstelle deutlich auseinander zu halten. Man hat als Gutachter keine Chance, über seine eigenen Anträge mehr zu erfahren als jeder andere auch.
Von Seiten der Nichtgeisteswissenschaftler hört man gelegentlich, unsere Gutachter seien überkritisch und würden viele Projekte heruntermäkeln. Bei ihnen herrsche eine viel größere Solidarität. Dies ist in der heutigen Situation nicht gerade günstig. Denn der Etat der DFG für die Sprach- und Literaturwissenschaften und die anderen Fachgruppen wird ermittelt aus dem Antragsvolumen und dem Bewilligungsvolumen der Vorjahre. Je weniger bewilligt wird, desto weniger steht in den kommenden Jahren zu Verfügung.

3.9 Kostenneutrale Umdispositionen

Oft möchte man seine Mittel etwas anders verwenden, als man dies beantragt und bewilligt bekommen hat. Für solche Fälle gibt es das Instrument der 'kostenneutralen Umdisposition bewilligter Mittel'. In den DFG-Richtlinien ist im einzelnen festgelegt, in welchen Umfängen (in jüngster Zeit erweitert) solche gegenseitige Umdispositionen zulässig sind, z.B. in welchem Umfang Sachmittel auch als Personalmittel eingesetzt werden können oder umgekehrt oder wie z.B. wissenschaftliche Hilfskräfte (entsprechend gemindert) auf halben BAT- Stellen geführt werden können. In all solchen Fällen darf man nur eines nicht machen: Draufloswirtschaften. Sonst wird man bei der Schlußabrechnung ein böses Erwachen erleben, schlimmstenfalls mit Regreßforderungen. Vielmehr ist in allen solchen Fällen eine schriftliche begründete Anfrage erforderlich. Ich habe gefunden, daß die DFG im Rahmen ihrer Richtlinien großes Verständnis aufbringt für solche Bitten.

3.10 Begehungen

'Begehungen' sind Treffen von Gutachtern der DFG, des zuständigen Referenten und der Antragsteller. Sie werden nur bei Langzeitprojekten, Sonderforschungsbereichen, Graduiertenkollegs, Forschergruppen u.ä. angewandt und folgen einem bestimmten Schema. Erst treffen sich die Gutachter mit dem Referenten und tauschen erste Eindrücke über die Anträge aus. Dann stellen sich die Antragsteller mit ihrem Projekt, in der Regel auch mit ihren Mitarbeitern, vor. In der dritten Runde beraten wiederum die Gutachter und der Referent über ihre Eindrücke und besprechen, welche Nachfragen sie gegenüber den Antragstellern haben. Dies ist dann die letzte Runde vor der Abschlußsitzung, in der die Empfehlung der Gutachter für den Hauptausschuß formuliert wird. Aus dieser Kurzdarstellung kann man schon ersehen, welche außerordentliche Bedeutung der Vorstellung der Projekte durch die Antragsteller zukommt. Und sicher spielt es auch eine gewisse Rolle, wie der Kreis der Gutachter aufgenommen, gastfreundlich versorgt und ggf. auch durch den Rektor oder den Dekan informiert wird. Begehungen sind für alle Teile eine anstrengende Angelegenheit, aber durchweg auch ein wissenschaftliches und soziales Erlebnis.
Mein Fazit lautet: Die allermeisten Forschungsvorhaben lassen sich als Drittmittelprojekte organisieren. Gute Vertrautheit mit dem Thema und systematische Vorbereitung sind die eine Voraussetzung, Engagement und Ausdauer die andere. Alles übrige ist Sache der Erfahrung und bald Routine.

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